Montag, 5. Oktober 2020

Herzfaden

 Allgemeines


Titel: Herzfaden
Autor: Thomas Hettche
Seitenanzahl: 288
Preis: 24,00€
Verlag: Kiwi

Klappentext

Ein zwölfjähriges Mädchen gerät nach einer Vorstellung der Augsburger Puppenkiste durch eine verborgene Tür auf einen märchenhaften Dachboden, auf dem viele Freunde warten: die Prinzessin Li Si, Kater Mikesch, Lukas, der Lokomotivführer. Vor allem aber die Frau, die all diese Marionetten geschnitzt hat und nun ihre Geschichte erzählt. Es ist die Geschichte eines einmaligen Theaters und der Familie, die es gegründet und berühmt gemacht hat. Sie beginnt im 2. Weltkrieg, als Walter Oehmichen, ein Schauspieler des Augsburger Stadttheaters, in der Gefangenschaft einen Puppenschnitzer kennenlernt und für die eigene Familie ein Marionettentheater baut. In der Bombennacht 1944 verbrennt es zu Schutt und Asche.


Meine Meinung

Ein weiteres Buch, auf das ich durch den Buchpreis aufmerksam wurde. Es ist auf der Shortlist gelandet und wer weiß – vielleicht wird es am 12. Oktober sogar zum Gewinner gekürt. Vorstellen könnte ich es mir auf jedem Fall...

Das Cover ist wunderschön gestaltet, eher schlicht, aber trotzdem sehr aussagekräftig, auch unter dem Schutzumschlag ist eine kleine Lokomotive mit Goldfolie aufgedruckt. 

Die Geschichte wird aus zwei Blickwinkeln erzählt, die in unterschiedlichen Zeiten spielen, aber immer miteinader verbunden sind. Auch das ist gestalterisch sehr schön gelöst, denn die Schriftfarbe wechselt zwischen blau und rot, wodurch man immer direkt weiß, in welcher Zeit man sich befindet. 

Aber das Buch ist nicht nur äußerlich toll geworden, auch inhaltlich konnte es mich wirklich begeistern. Obwohl ich selbst nicht mit den Geschichten der Augsburger Puppenkiste aufgewachsen bin und lediglich hin und wieder eine Videokasette vom Jim Knopf bei meiner Oma eingelegt habe, kenne ich natürlich trotzdem einige der berühmten Kreaturen, die in diesem Roman auftauchen. 

In dem Buch geht es um ein kleines Mädchen, das sich auf dem Dachboden vor ihrem Vater versteckt. Dort trifft sie auf die Protagonistin Hatü und einige Marionetten, die ihr bekannt sind. Das Mädchen erschrickt sich, als sie merkt, dass sie auf Puppengröße geschrumpft ist, doch ihr bleibt nichts anderes übrig, als Hatü dort oben unterm Dach Gesellschaft zu leisten und ihren Geschichten zu lauschen. Ich hatte beim Lesen selbst das Gefühl auf diesem Dachboden zu sitzen und ebenfalls den Erzählungen zu zuhören. 

Die Geschichte Hatüs nimmt den Großteil des Romans ein, denn sie ist es, die von der Entstehung der Augsburger Puppenkiste berichtet. Ihr Vater hat am Theater gearbeitet, doch dann wurde durch den Krieg alles anders. Ihre Berichte von dieser schrecklichen Zeit, in der niemand wusste, wann endlich wieder Frieden einkehren würde, waren so bewegend und traurig. Aber auch die Hoffnung, die nie ganz verschwunden ist, wurde greifbar. Es ist eine Familiengeschichte und gleichzeitig viel mehr. Hatü merkt früh, dass es ihre Bestimmung ist, Holzfiguren zu schnitzen und mit ihnen aufzutreten. Gemeinsam mit Familienmitgliedern, Bekannten und Freunden entwickelt sich etwas ganz besonderes aus einer einst kleinen Idee. 

Ich kann das Buch auf jeden Fall empfehlen. Dem Autor gelingt es, den Leser mit in eine Zeit zu nehmen, die man selbst (ich zumindest) nicht miterlebt hat, und dennoch hat man das Gefühl zu verstehen, was da vor sich ging. Die Figuren sind zugleich Protagonisten als auch Marionetten, wodurch die realistischen Grenzen verschwimmen und Platz für Fantasie gemacht wird. 

Meiner Meinung nach steht das Buch auf jeden Fall verdient auf der Shortlist und ich bin gespannt, ob es vielleicht sogar als Sieger gekürt wird. 








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